Dienst- und Geschäftsreisen

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(Bildquelle: pixelfux - stock.adobe.com)

2017 gab es in Deutschland laut VDR-Geschäftsreiseanalyse (2018) 11,2 Millionen Geschäftsreisende. 187,5 Mio. Geschäftsreisen führten in diesem Jahr zu Reisekosten in Höhe von 52,5 Milliarden Euro.[1]

Der Modal Split (Anzahl der Wege) verteilte sich im Landverkehr 2008 bei Dienst- und Geschäftsreisen auf die verschiedenen Verkehrsmittel wie folgt: 87,4 Prozent Pkw-Alleinfahrer, 1,3 Prozent Pkw-Mitfahrer, 4,1 Prozent Öffentlicher Verkehr, 3,3 Prozent Fahrrad, 3,9 Prozent Fußverkehr [2]

Für das betriebliche Mobilitätsmanagement ist das Dienstreisegeschehen somit ein wichtiges Handlungsfeld, das darüber hinaus zahlreiche Verbindungen zum Handlungsfeld Fuhrpark und zur privaten Mobilität der Mitarbeiter aufweist.

Die Organisation von Dienst- und Geschäftsreisen ist vor allem in größeren Unternehmen eine eigenständige Aufgabe. Diese hat unterschiedliche Bezeichnungen, wie z. B. Travel Managagement, Dienstreiseservice, Business Travel Center, Corporate Mobility Service. In großen Unternehmen ist das Travel Management häufig innerhalb des Personalbereiches, im Bereich Finanzen oder auch im Einkauf angesiedelt. In Unternehmen mit geringerem Reiseaufkommen werden die Dienstreisen häufig von den Mitarbeitern selbst organisiert, die Reisekosten in der Verwaltung abgerechnet. Die Anzahl der Unternehmen, die in einem eigenen Bereich ein systematisches Travel Management aufgebaut haben, ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. [1]

Ein systematisches Travel Management umfasst folgende Aufgaben:

  • Organisation von Reisen,
  • Reisekostenabrechnung,
  • Veranstaltungsmanagement,
  • Versicherung/Sicherheit/Gesundheit.

Dabei werden Reise-, Fuhrpark- und Veranstaltungsmanagement kombiniert, um Synergien für eine optimale geschäftliche Mobilität ressort- und abteilungsübergreifend nutzen zu können.

Das Travel Management hat folgende Ziele:

  • Direkte Kosteneinsparungen,
  • Zufriedenheit der Geschäftsreisenden,
  • Reibungslose Organisation der Buchungs- und Abrechnungsprozesse,
  • Effiziente Prozessorganisation,
  • Herstellung von Transparenz hinsichtlich Organisation, Reiseumfang und Kosten.

Maßnahmen(bündel)

Aufbau eines Travel Managements

Viele Betriebe beschreiben in ihrer Reiserichtlinie das Ziel einer wirtschaftlich sinnvollen und ökologisch verträglichen Reiseorganisation. Im Alltagsbetrieb gibt es aber niemanden, der überblicken kann, wie die Mitarbeiter reisen. Erst bei der Dienstreiseabrechnung erfolgt eine Kontrolle des Dienstreisegeschehens. Eine Steuerung im Hinblick auf die Zielsetzungen findet meist nicht statt. Je nach Umfang der Reisetätigkeit kann es sich lohnen, für diese Aufgabe Personal aufzubauen. Anhand der in der Bilanz des Unternehmens ausgewiesenen Kosten für Reisetätigkeiten lässt sich abschätzen, ob sich eine Intensivierung des Travel Managements wirtschaftlich lohnen kann.

Reiserichtlinie

Die Reiserichtlinie ist ein wichtiges Steuerungsinstrument im Mobilitätsmanagement von Betrieben, da sie u. a. die Wahl der Reisemittel vorgibt. Je differenzierter die in der Reiserichtlinie gemachten Vorgaben und Ziele sind, desto wichtiger ist das Controlling der Geschäftsreiseprozesse (Travel Management).

Verkehrsvermeidung z.B. durch Telefon- und Videokonferenzen

Mit zunehmender Digitalisierung ergibt sich die Möglichkeit, Dienstreisen komplett zu vermeiden. Der Anteil von Großbetrieben (mit über 500 Mitarbeitern), die Telefonkonferenzen nutzen, ist von 73 Prozent im Jahr 2008 auf 93 Prozent im Jahr 2018 angestiegen. In kleineren Betrieben (unter 500 Mitarbeiter) ist der Anteil im gleichen Zeitraum von 53 Prozent auf 85 Prozent gestiegen. Auch Video- und Webkonferenzen gehören mittlerweile in der Mehrzahl der Unternehmen zum Standard. 64 Prozent der Großbetriebe (2008: 55 Prozent) und 45 Prozent der Kleinbetriebe (2008: 18 Prozent) greifen auf diese Technologien zurück.[1]

Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel

Mit einer verbindlichen Regelung können Betriebe ihre Mitarbeiter bei der Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel unterstützen.

  • In Abhängigkeit von der Reisehäufigkeit lohnt sich die Nutzung von BahnCards, mit denen die Bahntickets um 25 oder 50 Prozent günstiger werden; mit einer BahnCard 100 entfällt der Kauf einer Fahrkarte sogar komplett. Zudem existieren in vielen Unternehmen Regelungen, dass die BahnCard auch für private Fahrten genutzt werden darf.
  • Die Nutzung des Fahrrades für Dienstzwecke lohnt sich in Innenstadtlagen aus verschiedenen Gründen: Zeit- und Kostenvorteile, Planbarkeit, Bewegungsförderung. Auch in Stadtrandlagen und im ländlichen Raum kann das Fahrrad zu Dienstzwecken eingesetzt werden. Mit einem Pedelec können Beschäftigte sogar noch weitere Strecken zurücklegen. Werden den Mitarbeitern Diensträder zur Verfügung gestellt, sind diese – wie Dienstautos – mit entsprechenden Regelungen auch privat nutzbar.
  • Wenn sich Dienstreisen nicht vermeiden lassen, empfiehlt sich die Kompensation der damit verursachten CO2-Emissionen.

Grünes bzw. Nachhaltiges Veranstaltungsmanagement

Das Veranstaltungsmanagement ist in manchen Betrieben ein wichtiger Teil des Geschäfts. Die Organisation von Veranstaltungen (Messen, Kongressen, Kundenevents usw.) sollte in das betriebliche Mobilitätsmanagement einbezogen werden, um auch Kunden und Gäste bei der Anreise zu unterstützen. Dabei hat die Wahl des Veranstaltungsorts großen Einfluss auf die Mobilitätsoptionen.

Tipps und Hinweise

Die meisten Betriebe wissen nicht, wie hoch die betrieblichen Aufwendungen für ihre Reisetätigkeiten sind, und welche Verkehrsmittel von den Mitarbeitern genutzt werden. Zu Beginn macht es deshalb Sinn, sich anhand der Reisekostenabrechnungen einen Überblick zu verschaffen. Es reicht meistens schon aus, wenn die Reisekostenabrechnungen der letzten ein oder zwei Monate systematisch nach Reisemittel, Strecke, Kosten und Mitarbeiter ausgewertet werden. Damit ergeben sich häufig schon Ansatzpunkte für erste Maßnahmen, z. B.:

  • Bündelung von Fahrten zu identischen Zielorten,
  • Unterstützung des Umstiegs auf Bus und Bahn,
  • Abstimmung der Nutzung des Privat-Pkw für Dienstreisen mit der Verfügbarkeit von Poolfahrzeugen im Fuhrpark.

So werden die Potenziale einer systematischen Erfassung und Analyse der Dienstreisetätigkeiten deutlich. Durch einfache Erweiterungen im Dienstreise-Abrechnungsprozess (z. B. Angabe des Verkehrsmittels) lassen sich Dienstreisen künftig besser und zielgerichteter organisieren.

Im Internet finden sich zahlreiche Standardvorlagen für die Gestaltung von Reiserichtlinien [1].

Praxisbeispiele

  • Die Barmenia Versicherungen legen auch bei Geschäftsreisen wirtschaftliche, soziale und umweltbezogene Kriterien zugrunde: Die Vermeidung von Reisen ist natürlich der beste Weg, CO2-Emissionen zu senken. Technische Möglichkeiten wie Homeoffice, Online-Seminare und Videokonferenzen reduzieren Arbeitswege und Geschäftsreisen. Fallen Dienstreisen an, liegt der Fokus auf emissionsfreien Fahrten mit der Deutschen Bahn (DB). Dies wurde auch in der Reiserichtlinie dokumentiert. Reisen werden bei der Barmenia über ein Tool gebucht, das CO2-Emissionen bei Flügen ausweist und die Bahn als Alternative anbietet. Kommunikationsmaßnahmen sorgten für die notwendige Sensibilisierung der Mitarbeiter. Dazu gehörte der erstmals im Jahr 2013 veranstaltete Nachhaltigkeitstag am Wuppertaler Hauptsitz, an dem u. a. die DB ihr Angebot präsentierte. Darüber hinaus werden alle Geschäftsreisen in einer CO2-Bilanz erfasst, in Emissionen umgerechnet und über ein zertifiziertes Klimaschutzprojekt kompensiert. Seit 2016 wirtschaften die Wuppertaler Hauptverwaltungen klimaneutral. Weitere Details und Praxisbeispiele in der Broschüre "mobil gewinnt".
  • Die Naturstrom AG arbeitet an zwölf Standorten in Deutschland, um vor Ort die Energieversorgung positiv zu verändern. Schon immer war es Firmenpolitik, bei Geschäftsreisen als erste Option die Bahn zu nutzen und bei kürzeren Strecken eines der firmeneigenen E-Autos. Seit Anfang 2018 sind an allen Standorten Videokonferenzsysteme im Einsatz, um sowohl den zeitlichen Reiseaufwand als auch durch Reisen bedingte Emissionen zu reduzieren. Dadurch ist eine Abstimmung zwischen den Standorten und innerhalb von Abteilungen, die an mehreren Standorten verteilt sind, wesentlich vereinfacht worden (Broschüre "mobil gewinnt").
  • Der B.A.U.M.-Standort in Hamm hat bereits 2003 eine Bilanzierung der Reisetätigkeiten seiner Mitarbeiter vorgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass die Bahnreisenden mit BahnCard50 Reisekosten in Höhe von etwa 0,15 Euro pro Kilometer verursachen, während die Autofahrer die Nutzung ihres Fahrzeugs mit 0,30 Euro pro Kilometer vergütet bekommen. Seit 2004 erhalten Bahnfahrer nunmehr die Hälfte der eingesparten Kosten als Bonus zurück. Damit wird ein Anreiz gesetzt, um den in Arbeitsvertrag und Reiserichtlinie dokumentierten Vorrang der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für die Mitarbeiter attraktiver zu machen [2].

Weitere Hilfestellungen

Links

  • Verband Deutsches Reisemanagement e.V. (VDR) (2019): VDR-Geschäftsreiseanalyse 2019, 17. Auflage [3].
  • Oblasser, Christian; Riediger, Martina (2015): Nachhaltiges Veranstaltungsmanagement mit Strategie, Verlag Wissenschaft und Praxis, Sternenfels

Quellen

  • Der VCD-Leitfaden "Geschäftsreisen – erfolgreich, effizient, umweltverträglich" von 2008 ist zwar mittlerweile über zehn Jahre alt. Die darin enthaltenen Tipps und Hinweise haben jedoch nicht an Aktualität eingebüßt [4].
  • Viele Hinweise für nachhaltiges Reisen und einen Überblick über Siegel und Zertifikate für nachhaltigen Tourismus bietet der Artikel „Reisen mit Herz und Verstand“ des „Forum Nachhaltig Wirtschaften“ [5].

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Verband Deutsches Reisemanagement e.V. (2018); VDR-Geschäftsreiseanalyse 2018
  2. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2017); Verkehr in Zahlen 2017/2018