Fahrgemeinschaften bilden

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Version vom 28. Oktober 2020, 16:39 Uhr von Annika Jeschke (Diskussion | Beiträge) (Praxisbeispiele)
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(Bildquelle: tomhanisch - stock.adobe.com)

Eine Fahrgemeinschaft ist eine Gruppe von zwei oder mehreren Personen, von denen eine mit dem eigenen Auto die anderen zum Arbeitsplatz oder auf eine Fahrt mitnimmt. Fahrgemeinschaften werden privat oder in Mitfahrportalen organisiert. Im Berufsverkehr liegt die durchschnittliche Auslastung von Pkw in Deutschland bei nur 1,1 Personen (zum Vergleich: im Personenverkehr insgesamt liegt sie bei 1,5 Personen). Das heißt: neun von zehn Pkw-Pendlern sitzen allein im Auto. Bereits eine Steigerung dieses Besetzungsgrades auf zwei Personen würde viele Belastungen des Pkw-Verkehrs für Betriebe, Beschäftigte und Kommunen beinahe halbieren. Gerade dort, wo das Angebot der öffentlichen Verkehrsmittel zu unattraktiv ist, sind Fahrgemeinschaften daher eine sehr ernst zu nehmende Option.

Wer die Bildung und Nutzung von Fahrgemeinschaften unterstützen will, muss – noch mehr als in anderen Handlungsfeldern des Mobilitätsmanagements – seine Zielgruppe kennen. Die Bedürfnisse können sich hier stark unterscheiden. Manche Beschäftigte legen Wert auf große Flexibilität. Für sie eigenen sich Smartphone-Apps, mit denen sie ganz spontan passende Mitfahrgelegenheiten finden können. Andere fühlen sich wohler in festen, verlässlichen Fahrgemeinschaften.

Maßnahmen(bündel)

Online-Plattformen: hilfreich, aber nicht ausreichend

Es gibt heute viele Online-Angebote zur Vermittlung von Fahrgemeinschaften. In der Regel können Verkehrsteilnehmer dort Mitfahrgelegenheiten für bestimmte Strecken und Zeiten anbieten oder suchen und erhalten dann automatisch geeignete Vermittlungsvorschläge. Entscheidend für den Erfolg ist die Masse: Je mehr Beschäftigte an einem solchen System teilnehmen, desto höher ist die Chance, dass Nachfrage und Angebot zusammen passen. Ein geschlossenes System, das nur betriebsintern Kollegen berücksichtigt, macht bei einer Betriebsgröße unter tausend Beschäftigten kaum Sinn. Eine Lösung kann es sein, sich mit anderen Unternehmen am Standort zusammenzuschließen. Entscheidend ist darüber hinaus die Kommunikation: Bereits im Vorfeld sollte das Angebot intensiv beworben werden. Mitunter stellen Betriebe nach einiger Zeit fest, dass es kaum noch Fahrtangebote und -gesuche auf ihren Plattformen gibt. Das muss kein schlechtes Zeichen sein! Wer „seine“ Mitfahrer gefunden hat und mit ihnen eine stabile Fahrgemeinschaft bildet, beteiligt sich nicht mehr aktiv im Matching-System.

Auch Low-Tech kann funktionieren

Es muss nicht immer gleich ein komplexes Tool im Intranet sein. In einem ersten Schritt können die Beschäftigten eingeladen werden, ihre Wohnstandorte auf einer Karte zu markieren – sei es im Intranet, im Foyer oder auch im Rahmen eines Mobilitäts-Aktionstags. Dies kann zunächst ganz anonym erfolgen. Bereits eine solche Visualisierung führt bei so manchem zu der überraschenden Erkenntnis, dass manch ein Kollege im Ort oder auf der Strecke wohnt. Bewährt haben sich auch so genannte Pendlerfrühstücke: Für die wichtigsten Wohnorte oder Fahrtstrecken wird dabei jeweils ein Tisch oder ein Bereich gekennzeichnet, an dem Interessierte zwanglos Kontakt aufnehmen können. Übrigens: Auch symbolische Maßnahmen wie eine deutlich gekennzeichnete Reservierung eingangsnaher Stellplätze für Fahrgemeinschaften sind in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen!

Tipps und Tricks

Die Auswahl des "richtigen" Tools

Zwar können Fahrgemeinschaften auch ohne technische Unterstützung gebildet werden. Mit zunehmender Digitalisierung der Arbeitsprozesse geht jedoch der Trend zu elektronischen Unterstützungssystemen. Die Auswahl ist nicht ganz einfach, da die Angebote unterschiedliche Stärken und Schwächen aufweisen. Betriebe sollten vorab konkretisieren,

  • welche Ziele sie mit der Bildung der Fahrgemeinschaften verfolgen (z. B. Gespräch mit der Geschäftsführung)
  • welche Interessen und Vorlieben ihre Mitarbeiter haben (z. B. durch eine Mitarbeiterbefragung),
  • welche Potenziale für Fahrgemeinschaften in der Belegschaft vorhanden sind (z. B. durch Wohnstandortanalyse), und welche Potenziale sich in der Nachbarschaft erschließen ließen
  • welche Anforderungen sich aus der Arbeitsorganisation ergeben (feste oder flexible Arbeitszeiten),
  • welcher Unterstützungsbedarf z. B. bei der internen Kommunikation und Bewerbung des Angebotes besteht.

Auf dieser Basis sollten die verschiedenen Angebote und Anbieter verglichen werden. Den Mitarbeitern sollte dann möglichst ein konkretes Tool zur Nutzung empfohlen werden. Zusätzlich könnte der Betrieb dafür anfallende Lizenzgebühren/App-Entgelte übernehmen.

Tipp: Das Portal Utopia hat eine Übersicht mit Informationen zu den zehn besten Fahrgemeinschafts-Apps und-Portalen erstellt [1].

Rechtliches

Auch wenn die Mitnahme von Fahrgästen keinen gewerblichen Umfang annimmt und ohne Gewinnerzielungsabsicht geschieht, gibt es ein paar Punkte zu beachten. Grundsätzlich können sowohl Fahrer als auch Mitfahrer die Kilometerpauschale in Höhe von 30 Cent pro Kilometer steuerlich absetzen – Fahrer unbegrenzt, Mitfahrer bis zu einer Höhe von 4.500 Euro pro Jahr.

Bei wechselseitigen Fahrgemeinschaften, bei denen die Teilnehmer abwechselnd als Fahrer auftreten, bedeutet das: Für die Fahrten als Fahrer mit eigenem Fahrzeug gilt die unbegrenzte Entfernungspauschale, für die Fahrten als Mitfahrer die begrenzte. Daher sollten stets alle Fahrten gut dokumentiert werden. Bei einseitigen Fahrgemeinschaften lassen sich die Fahrer oft eine Kostenbeteiligung von ihren Mitfahrern zahlen. Diese gilt steuerlich als Einnahme! Solche „sonstigen Einkünfte“ bleiben bis zu einer Höhe von 256 Euro pro Jahr steuerfrei. Wird diese Grenze überschritten, dann müssen sie komplett versteuert werden. Fährt der Fahrer einen Umweg für seine Mitfahrer, dann kann er pro Umwegkilometer 0,30 Euro und pro Mitfahrer 0,02 Euro von diesen Einnahmen abziehen. Beim Versicherungsschutz gilt, dass die Haftpflichtversicherung für alle Schäden der Insassen aufkommt. Allerdings ist eine unbegrenzte Deckungssumme empfehlenswert. Mitfahrer sollten am besten eine Haftungsbeschränkungserklärung unterzeichnen, entsprechende Vorlagen sind im Internet verfügbar.

Praxisbeispiele

  • Bei SAP in Walldorf ist die smarte Mitfahrlösung TwoGo by SAP im Einsatz. Durch die Eingabe eines Fahrtwunsches per Web, App oder Kalender ermittelt ein intelligenter Algorithmus in Sekundenschnelle automatisch, nach den Präferenzen des Nutzers, Fahrgemeinschaften für die Pendelstrecke und Dienstreisen. TwoGo berücksichtigt bei der Vermittlung automatisch die gewünschte Fahrtroute, den Vermittlungskreis, die Anzahl der freien Sitzplätze, die maximale Umwegzeit und den Abholpunkt. Sollte TwoGo keinen passenden Fahrpartner finden, werden proaktiv Alternativen, auch mit dem ÖPNV, vorgeschlagen. Ein Austausch der persönlichen Daten findet nur nach einer passenden Vermittlung statt. Aktuelle Verkehrsdaten sieht der Fahrer auf einen Blick, damit dieser vorbereitet und mit genügend Zeitpuffer entspannt unterwegs ist. Eine Abstimmung ist nicht mehr nötig. Den Fahrern werden bei SAP bevorzugte Parkplätze zur Verfügung gestellt. Sollte ein Kollege „stranden“, dann darf er am Abend mit dem Taxi nach Hause fahren. Die Kollegen nutzen den Arbeitsweg sinnvoll und tauschen während der Fahrt ihr Wissen aus. Es werden pro Woche circa 1800 Fahranfragen eingestellt. Die Vermittlungsquote beträgt circa 52 Prozent.
  • Zalando Logistics in Erfurt erleichtert seinen Mitarbeitern mit dem sog. "Regio9er" den täglichen Weg zu Arbeit. Durch diese Fahrgemeinschaften können die Nutzer Geld sparen und auch Gewerbegebiete sind flexibel erreichbar. Die Pkws stehen zudem am Wochenende oder nach Feierabend als öffentliche CarSharing-Fahrzeuge zur Verfügung. Außerdem steht die Mobilitätsbeauftragte den Mitarbeitern zu Themen wie ÖPNV, Werksverkehr und Dienstrad-Leasing beratend zur Seite.
  • Das Forschungszentrum Jülich fördert gemeinsam mit benachbarten Betrieben durch ein breit beworbenenes Online-Portal die Bildung von Fahrgemeinschaften, welches bei den Mitarbeitern großen Anklang findet. Gleichzeitig kann dadurch CO2 eingespart und Parkplatzdruck gemildert werden.

Mehr Informationnen zu den oben genannten Praxisbeispielen in der Broschüre "mobil gewinnt".

  • Das LANUV zeigt wie nachhaltige Mobilität in einer Landesverwaltung in NRW aussehen kann. Gemeinsam mit den Mitarbeitenden ist ein Maßnahmenset bestehend aus verschiedenen Elementen entstanden. Zum Beispiel können dort nun private und dienstliche Fahrgemeinschaften über eine Plattform organisiert werden. Diese erhalten dann bevorzugte Stellplätze. Steckbrief "mobil gewinnt"

Weitere Hilfestellungen

Links

  • Regio Mobil [2]