Rahmenbedingungen des betrieblichen Mobilitätsmanagements
Das betriebliche Mobilitätsmanagement ist eine junge Disziplin. Seit 2005 hat sich das betriebliche Mobilitätsmanagement zu einem bedarfsorientierten Instrument entwickelt, das für die eher angebotsorientierten Disziplinen der Infrastrukturplanung und der technischen Innovationen zunehmend eine wichtige Funktion zur Beschleunigung der Marktentwicklung übernimmt. In diesem Beitrag werden die Entwicklungslinien und der heutige Stand der Qualitätsstandards skizziert. Zudem werden die zentralen Herausforderungen zur Weiterentwicklung des betrieblichen Mobilitätsmanagements im Hinblick auf eine effektive Mobilitätswende in Deutschland beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung des betrieblichen Mobilitätsmanagements in Deutschland
Die Anfänge
Aufgrund der erheblichen Verkehrsprobleme in den Innenstädten wurden um 2005 in verschiedenen Städten erste Fallstudien zur Gestaltung des Berufsverkehrs erstellt (s. z.B. Dresden/PGN [1]).
Effizient Mobil
2008 hat das Bundesumweltministerium unter der Federführung der Deutschen Energie-Agentur (DENA) mit dem Namen "effizient mobil" das erste bundesweite Programm zur Durchführung von Beratungen von Betrieben und Einrichtungen aufgelegt. Anhand von knapp 100 Beispielen wurde ein Instrumentarium zur Analyse der Arbeitswege von Beschäftigten und zur Wirkungsabschätzung der von den Beratern vorgeschlagenen Maßnahmen erprobt.[2] Die Auswertung der Beispiele ergab, dass es durch Maßnahmen des betrieblichen Mobilitätsmanagements möglich ist, jährlich etwa 200 kg CO2 pro Beschäftigten einzusparen.
DEPOMM e.V.
Im Rahmen von "effizient mobil" hatten sich zahlreiche Personen in den verschiedenen Regionen für das betriebliche Mobilitätsmanagement engagiert. Diese schlossen sich zur Förderung des Erfahrungsaustausches und zur gegenseitigen Unterstützung zum Verband DEPOMM e.V. zusammen, der seit 2016 als gemeinnützig anerkannt ist.[3] Im Rahmen der Verbandsarbeit bei der DEPOMM wurden verschiedene Grundlagen des Mobilitätsmanagements erarbeitet, die für die fachlich-inhaltliche Weiterentwicklung des Mobilitätsmanagements von Bedeutung sind.
In einigen Regionen wurde das Instrumentarium unter der Bezeichnung "effizient mobil" weiterentwickelt (v.a. im Raum Rhein-Main [4]. In anderen Regionen wurden ähnliche Projektansätze unter anderen Bezeichnungen weiterverfolgt, u.a.
- in der Region Dortmund unter der Bezeichnung "Mobil.Pro.Fit." ([5])
- in München unter der Bezeichnung "Gscheid mobil" ([6]
Mobil.Pro.Fit.
Im Rahmen der Nationale Klimaschutzinitiative hat das Bundesumweltministerium 2013-2016 die Unternehmensinitiative B.A.U.M. bei der Verbreitung des Mobil.Pro.Fit.-Ansatzes (regionale Netzwerkbildung in Kombination mit Beratung, Qualifizierung und Auszeichnung von Betrieben) finanziell unterstützt. In diesem Programm beteiligten sich etwa 70 Betriebe in 10 Modellregionen an einem Mobil.Pro.Fit.-Projekt. Im Unterschied zu früheren Ansätzen handelte es sich bei den erarbeiteten Konzepten nicht mehr um gutachterliche Vorschläge. Vielmehr erarbeiteten die Betriebe mit Unterstützung durch Berater ihre spezifischen Mobilitätsmaßnahmen, führten Wirkungsabschätzungen durch und veröffentlichten ihre Ergebnisse im Zuge einer regionalen Auszeichnung. [7]
VDI-Richtlinie 5110 Blatt 1 (Qualifizierungsmerkmale für betriebliches Mobilitätsmanagement)
Mit dem Projektansatz Mobil.Pro.Fit. regte das Bundesumweltministerium die Entwicklung einer VDI-Richtlinie zum betrieblichen Mobilitätsmanagement an. 2014 wurde deshalb von der VDI-Kommission zur Reinhaltung der Luft (KRdL) eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die fachlichen Grundlagen des betrieblichen Mobilitätsmanagements aufbereitet und eine Richtlinie mit Qualifizierungsmerkmalen für betriebliche Mobilitätsmanager erarbeitet hat. Diese liegt aktuell (Stand Juli 2018) im Gründruck vor und soll in Kürze verabschiedet werden.[8]
Betriebliches Mobilitätsmanagement bei den Industrie- und Handelskammern
Das erste Mobil.Pro.Fit.-Projekt in Dortmund war 2011 von der regionalen IHK initiiert und unterstützt worden. Auch in anderen Regionen hatten Vertreter der regionalen IHKen verschiedene Mobilitätsinitiativen unterstützt oder sogar selbst angestoßen. 2013 griff der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) im Rahmen der Mittelstands-Initiative Energiewende und Klimaschutz (MIE) das Thema Mobilitätsmanagement auf. Zunächst wurde das Thema in die Ausbildung von Energie-Scouts aufgenommen.[9] 2016 entwickelte der DIHK mit Unterstützung von Experten ein Curriculum für die Fortbildung von betrieblichen Mobilitätsmanagern.[10] Dieses wurde 2018 in verschiedenen Regionen in Deutschland erstmalig durchgeführt. 2017 veröffentlichte der DIHK eine Broschüre mit zahlreichen Best-Practice-Beispielen.[11]
Ausbildungsgänge zum Mobilitätsmanager
Neben den Fortbildungsaktivitäten der Industrie- und Handelskammern gab und gibt es zahlreiche Initiativen zur Aus- und Weiterbildung von Personen zu Mobilitätsmanagern. Beispiele sind
- beispielhaft für die Hochschullandschaft - der 2016 eingeführte Bachelor-Studiengang "Mobilitätsmanagement B. Eng." an der Hochschule Rhein-Main [12], und
- beispielhaft für das Engagement der öffentlichen Hand - der 2016 erstmalig angebotene Lehrgang zum betrieblichen Mobilitätsmanagement im Rahmen des Zukunftsnetzes Mobilität NRW [13]
- beispielhaft für die Angebote privater Akteure - das Seminar Kommunales und Betriebliches Mobilitätsmanagement der TeamRed MobilitätsAkademie [14]
mobil gewinnt
2017 haben das Bundesumweltministerium und das Bundesverkehrsministerium in einer gemeinsame Aktion das Programm "mobil gewinnt" gestartet. Organisiert vom ACE Auto Club Europa e.V. und B.A.U.M. wurden in diesem Projekt folgende Bausteine umgesetzt, mit denen das betriebliche Mobilitätsmanagement in Deutschland bekannt gemacht werden sollte:
- Durchführung eines bundesweiten Wettbewerbs, Prämierung von 26 betrieblichen Mobilitätskonzepten am 13.12.2017 in Berlin
- Durchführung von 300 Erstberatungen zum betrieblichen Mobilitätsmanagement
- Evaluation der prämierten Konzepte und durchgeführten Mobilitätsberatungen zur Weiterentwicklung des Instrumentariums
- Durchführung von fünf regionalen Netzwerkkonferenzen im Frühjahr 2018
- Erstellung einer Broschüre mit über 20 Best-Practice-Beispielen (hier Link einfügen)
- Erstellung eines Leitfadens zum betrieblichen Mobilitätsmanagement, der in Form dieses WIKI publiziert worden ist
- Allgemeine Öffentlichkeitsarbeit (Internetseite www.mobil-gewinnt.de, Produktion von Filmen mit Best-Practice-Beispielen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)
Das Projekt mobil gewinnt endete im September 2018.
Aktueller Stand und Ausblick
Seit 2005 sind die fachlich-inhaltlichen Grundlagen erarbeitet worden, um bundesweit Beratungs- und Qualifizierungsangebote für das betriebliche Mobilitätsmanagement nach einheitlichen Qualitätsstandards umsetzen zu können. Die Anzahl der Fachleute, die sich mit dem betrieblichen Mobilitätsmanagement auseinandersetzen und dieses befördert, nimmt zu.
Entwicklung in Kommunen
Die Kommunen stehen bereits seit längerem im Fokus der Verkehrswende. Sie werden auch künftig ein zentraler Akteur im Verkehrsbereich sein. Zunehmend werden Angebote und Ma0nahmen des betrieblichen Mobilitätsmanagements in die kommunalen Mobilitätskonzepte integriert, sowohl im Hinblick auf die Weiterentwicklung der eigenen Organisation ("Nachhaltige Verwaltung") als auch im Hinblick auf die Einbeziehung der örtlichen Wirtschaftsbetriebe in die Mobilitätsstrategien.
Entwicklung in den Betrieben
Die Bedeutung des Mobilitätsmanagements nimmt Betrieben stetig zu. Der Mangel an Fachkräften, die Entwicklung der Elektromobilität (bzw. anderer Alternativen zur Nutzung fossiler Treibstoffe) sowie das wachsende Interesse in der Belegschaft werden zu zahlreichen betrieblichen Initiativen führen, mit denen das betriebliche Mobilitätsmanagement in der Wirtschaft zum Standard wird.
Hemmende Faktoren
In den bisherigen Projekten wurde deutlich, dass die Durchschlagskraft betrieblicher Mobilitätskonzepte in hohem Maße von Rahmenbedingungen abhängig ist, die von den Betrieben selbst nur wenig beeinflusst werden können.
- Infrastrukturelle und räumliche Rahmenbedingungen: In vielen Regionen Deutschlands ist der öffentliche Verkehr keine Alternative zum Pkw. In gebirgigen Regionen stößt die Nutzung des Fahrrades an Grenzen (auch wenn mit Pedelecs mittlerweile eine wirksame Unterstützung bei Bergfahrten möglich ist). Gerade zu den Stoßzeiten des Verkehrs (Rush Hour) sind alle Verkehrsträger überlastet, so dass vor allem in den Städten Verlagerungen ohne einen Ausbau des Angebotes auf Schwierigkeiten stoßen.
- Rechtliche Rahmenbedingungen: Alternative Konzepte, mit denen die Alleinfahrten in Pkw reduziert und umweltfreundliche Verkehrsmittel gestärkt werden sollen, haben im Steuer-, Verkehrs- und xxx-Recht mit Problemen zu kämpfen. Bitte Beispiele nennen!
- Weitere?
Verkehrswende
Nachhaltige Mobilität bedeutet: Sicherung und Erhalt der Mobilität von Personen und Gütern ohne Belastung von Mensch und Umwelt.[15] Im Hinblick auf dieses Ziel klaffen Anspruch und Wirklichkeit aktuell noch sehr weit auseinander. Die Fachwelt ist sich einig, dass Mobilitätsmanagement das Potenzial hat, die aktuell drängenden verkehrspolitischen Probleme zu lösen. Dafür wird es aber mit sinnvoll in eine integrierte Verkehrsplanung und -politik eingebunden werden müssen. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine Forschungsarbeit, die vom Bundesforschungsministerium in den Jahren 2015 bis 2017 gefördert worden ist.[16] Unter dem Titel "Mobilitätsmanagement in Deutschland - Möglichkeiten und Grenzen verkehrspolitischer Gestaltung am Beispiel Mobilitätsmanagement" haben die Autoren die Gründe für den aktuellen Stillstand im Verkehrsbereich analysiert und konkrete Handlungsempfehlungen für unterschiedliche Akteure (Bundespolitik, Kommunalpolitik, Bundesverwaltung, Kommunalverwaltung, Kommunalke Wirtschaftsförderung, Nahverkehrsunternehmen, Öffentliche Beratung, privatwirtschaftliche Beratung, Forschung, Interessensvertretungen der Verkehrsnutzer, Umweltverbände, Mobilitätsdienstleister, Automobilhersteller, Unternehmen und Betriebe) ausgearbeitet. Das Strategiekonzept für ein erfolgreiches Mobilitätsmanagement sieht ein 5-Phasenmodell vor, mit dem das Mobilitätsmanagement systematisch weiterentwickelt werden sollte. Die Phase 1 (Standardisierung und Qualifizierung) dürfte bereits einen guten Entwicklungsstand erreicht haben. In Phase 2 (Schaffung übergeordneter Rahmenbedingungen) ist noch nicht erkennbar, wie sich das Mobilitätsmanagement in die politischen Zielsysteme einsortieren wird. Die o.g. Hemmnisse deuten jedenfalls auf großen Handlungsbedarf hin. Auch Phase 3 (Entwicklung von zielorientierten Förderansätzen) steckt noch in den Kinderschuhen. Zwar gibt es erste Förderansätze (s. Beitrag "Fördermittel"), bei denen aber noch die Zielorientierung fehlt. Phase 4 (Wettbewerbsmodell für deutsche Kommunen und Unternehmen) findet dann wieder auf der Feldebene statt. Hier gibt es - wie in verschiedenen Kapiteln dargelegt - viele engagierte Kräfte, die sich aber an vielen Stellen verausgaben, da die Rahmenbedingungen für ein systematisches und effektives betriebliches Mobilitätsmanagement Probleme bereiten. In Phase 5 (Systematisches Mobilitätsmanagement als Teil einer integrierten Verkehrsplanung) entwickeln sich übergeordnete Zielvorstellungen, Steuerungs- und Unterstützungsmechanismen sowie Maßnahmen auf der Feldebene gemeinsam und aufeinander abgestimmt weiter. Nur so wird es möglich sein, das systematische Mobilitätsmanagement dauerhaft zu verstetigen.
Tipps und Hinweise
Wussten Sie,
- dass die ersten IHK-Fortbildungen zum betrieblichen Mobilitätsmanager 2018 innerhalb weniger Wochen ausgebucht gewesen sind? Infos unter [17]
- dass die meisten betrieblichen Mobilitätsberatungen in den Ballungsgebieten an Rhein und Ruhr, im Rhein-Main-Gebiet und im Großraum Stuttgart durchgeführt worden sind?
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Weitere Hilfestellungen
Quellen und Links: